16. 8. 2001 | Frankfurter Allgemeine Zeitung / Berliner Seiten

Wer kommt mit in die Palaverhütte?

Akribisch bilanziert: Fünfzig Jahre deutsche Botschaftsbauten

Der Lichthof des Auswärtigen Amtes am Werderschen Markt ist nicht gerade das, was man einen Ausstellungsraum nennen kann. Die Wasserkaskade auf der einen und der Pflanzenbehälter auf der anderen Seite der breiten Treppe lassen nicht sehr viel Raum für Exponate, von denen außerdem eine gewisse Robustheit erwartet wird. Nicht nur aus klimatischen Gründen, denn unter dem Glasdach herrschen beinahe Außentemperaturen, sondern auch, weil das kleine Café sein Territorium hartnäckig gegen Eindringlinge verteidigt und die Bistromöblierung so eng an die Stellwände rückt, dass schon mal ein Ausstellungsstück in engen Kontakt mit einer Rückenlehne tritt.

Die Ausstellung "Botschaften - 50 Jahre Auslandsbauten der Bundesrepublik Deutschland" hat deswegen nur in einer abgespeckten Version die Zentrale der deutschen Außenpolitik erreicht. Den Originalplänen und auch einigen Modellen war die windige Halle des Auswärtigen Amtes nicht zuzumuten, weswegen nun auf dem vermeintlichen Höhepunkt der Ausstellungstournee, die vom Architekturmuseum in der Beinahe-Hauptstadt Frankfurt über die Bundeskunsthalle in der Nicht-mehr-Hauptstadt Bonn schließlich nach Berlin führte, gut ein Drittel der Exponate wegfallen mußte.

Die Möglichkeit, aus dem verbleibenden Rest eine plakativere, stärker auf ein Laufpublikum zugeschnittene Ausstellung zu machen, ist leider versäumt worden. Was den Bau von Botschaften, Auslandsinstituten und Expo-Pavillons von der allgemeinen Entwicklung der Geschmäcker und Baustile in den letzten fünfzig Jahren unterscheidet, also die spezifischen Anforderungen an staatliche Repräsentation und zeremonielles Protokoll, findet sich nur an sehr wenigen Stellen. Gleich zu Beginn stößt der Besucher zwar auf zwei Fotografien, die jeweils den für jede deutsche Botschaft obligatorischen Bierkeller zeigen und unterschiedlicher kaum sein könnten, doch der Charme der direkten Gegenüberstellung identischer Bauaufgaben in unterschiedlichen Zeiten, bleibt auf wenige Motive beschränkt. Ob das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland Schaden nehmen würde, wenn man mehr darüber erführe, wie es in den Schlafzimmern der Botschaften aussieht? Schließlich wurden etliche Auslandsvertretungen von bekannten Architekten wie Hans Scharoun, Oswald Mathias Ungers, Egon Eiermann, Johannes Krahn und Rolf Gutbrod errichtet, die es sich nicht nehmen ließen, jedem Detail ihre Handschrift aufzuprägen.

Regionale Besonderheiten des Botschafterdaseins treten gegenüber einer Unmenge nichtssagender Fassadenfotografien ebenfalls in den Hintergrund. Dabei hätte man doch zu gerne gewußt, zu welchem Anlaß sich der deutsche Gesandte in Monrovia von seinen spillerigen Metallgartenmöbeln made in Germany erhebt und in die "Palaverhütte" hinüberwechselt, die in ortsüblicher Konstruktion am Rande des Gartens errichtet wurde. Dem zeitgenössischen Fotografen war sie jedenfalls so wichtig, dass er sie gleich mehrfach ablichtete.

Statt kulturhistorischer Geschichten, die seinerzeit das Deutsche Architekturmuseum ins Ausstellungskonzept integrierte, präsentiert nun eine Beamtentrias aus Bauministerium, Auswärtigem Amt und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung einen faden Rückblick, dessen Anschaulichkeit sich darin erschöpft, die Verwendung von Steuergeldern in den letzten fünfzig Jahren zu rechtfertigen. Da aus dieser buchhalterischen Binnenperspektive die Botschaftsbauten der DDR längst abgeschrieben sind, hat man sie in die hintere Ecke des Raumes gezwängt, wohl in der Hoffnung, daß sie dort ebenso übersehen werden, wie der Entwurf Christoph Mäcklers für die ständige Vertretung in Ostberlin, der der deutschen Einheit zum Opfer fiel und in den Bilanzen zu unrecht nur als millionenschwere Fehlinvestition auftaucht, die am liebsten gar nicht gezeigt worden wäre.

Daß ausgerechnet diese Ausstellung unter dem Signum der neu ins Leben gerufenen "Initiative Architektur und Baukultur" gezeigt wird, läßt nichts gutes für den angestrebten Imagewechsel deutscher Architektur erwarten. Denn daß das Bauen in Deutschland in aller Sorg- und Einfalt verwaltet und bisweilen auch ausgestellt wird, daran hat noch nie jemand gezweifelt.

Oliver Elser

Lichthof des Auswärtigen Amtes am Werderschen Markt 1 10117 Berlin

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