20. 7. 2001 | Frankfurter Allgemeine Zeitung


Stahlbeton in Reih und Glied

Die Biosphärenhalle auf der Bundesgartenschau in Potsdam

Ausgerechnet Potsdam. Ohnehin berühmt für seine Gärten, Seelandschaften und Parks, findet in diesem Jahr auch noch die Bundesgartenschau dort statt. Von über einer Million Besuchern wird erwartet, dass sie sich lieber ein renaturiertes Kasernengelände anschauen, als durch den Schloßpark Sanssouci zu wandeln oder an der Havel spazieren zu gehen. Doch was den einzelnen auch immer dazu bewegen mag, aus Sicht der Stadt ist die Buga ein Vehikel, um innerstädtische und innenstadtnahe Problemzonen aufzupolieren. Trotz gewaltiger Investitionen in ein temporäres Ereignis bleibt unterm Strich und nach dem Ende der Buga eine Verbesserung der Infrastruktur. Die "Insel der Freundschaft" am grotesk aufgeblasenen neuen Bahnhofs-Shopping-Komplex, der Potsdam beinahe den Titel des Weltkulturerbes gekostet hätte, strahlt ebenso in frischem Grün, wie der zentrale "Platz der Einheit" und der Lustgarten, wo gegenüber schon das nächste waghalsige Großprojekt, die Rekonstruktion des Stadtschlosses, in Vorbereitung ist. An all diesen Orten zuckelt die städtische Trambahnlinie 90 vom Bahnhof kommend vorbei, als führe man durch einen Freizeitpark. An den Schienen stehen Weidenkörbe mit Blumen darin und selbst die abblätternde Fassade des Universitätskomplexes am Alten Markt leuchtet bei schönem Wetter in so intensivem Gelb, daß man dem ungeliebten Plattenbau noch eine lange Zukunft gönnt.

Kurz vor Erreichen des zentralen Buga-Geländes auf dem Bornstedter Feld im Norden der Innenstadt, verdüstert sich die Lage. Ein Wachturm taucht auf, ihm folgen überlebensgroße Plakate von Soldaten und plötzlich biegt die Tram ins dichte Unterholz ab. An einer schrägen Betonwand endet die Fahrt. Wie die Spitze einer Befestigungsanlage schneidet der Sockel der "Biosphärenhalle" in den Vorplatz ein. Zweihundert Meter weit ragt sie in den Park, unter dem vorgezogenen Dach staffeln sich die stumpfen Enden von Stahlverbundträgern schier endlos in die Tiefe.

Man ist auf einem Militärgelände mit einer weit in die Jahrhunderte zurückreichenden Geschichte angelangt, das zuletzt von der Roten Armee genutzt wurde. Nach dem Abzug der Truppen werden nun deren Hinterlassenschaften zum Leitmotiv der Bundesgartenschau überformt. In der brettebenen Talsenke waren die als Übungsgelände für Panzer aufgeschütteten Erdwälle ein willkommenes Mittel zur Gliederung. Bevor allerdings mit den Pflanzungen begonnen werden konnte, mußten die Wälle erst abgetragen, und dann in buga-tauglicher Perfektion wieder rekonstruiert werden. Die weniger zum geometrischen Landschaftsformenspiel geeigneten Baracken wurden beseitigt.

Bundesgartenschauen, darin gleicht die Buga in Potsdam ihren Vorläufern, müssen von ihrem Ende her bedacht werden. Was zählt, ist das, was übrigbleibt. In diesem Falle ein Park, der dem angrenzenden neuen Wohngebiet als Naherholungsgebiet dienen wird, und eine Attraktion, die das Notwendige, eine Halle zur Präsentation empfindlicher Gewächse, mit dem langfristig Rentablen verbindet. Die traditionelle Blumenhalle heißt daher in Potsdam "Biosphäre", durfte um einiges teurer sein als üblich und wird nach dem Ende der Buga vom Tochterunternehmen einer Multiplexkino-Kette als "Naturerlebniswelt" weiterbetrieben.

Es gibt genügend Beispiele, wo das Zusammenspiel von Eventagenturen und Architekten ins Desaster geführt hat, hier aber ist es geglückt. Das Berliner Architekturbüro Barkow/Leibinger gewann den Wettbewerb mit einem Entwurf, der das topographische Muster der Wälle aufnimmt, indem er den ohnehin recht beliebigen Aufschüttungen einfach zwei weitere hinzufügt, auf die das flache Dach der Biosphäre abgestützt wird. Das Material der flankierenden Wälle wechselt zwischen Sichtbeton, Gras und einer Beplankung mit Eichstämmen. Im Innern ergibt sich die Möglichkeit, in den schrägen Seitenwänden Räume und Treppenhäuser unterzubringen, die den Besucher an immer neuen Stellen in der Halle auftauchen lassen. Entgegen dem äußeren Anschein einer simplen Halle entsteht dadurch, das zusätzlich noch das Bodenniveau in Längsrichtung der Halle um einige Meter abfällt, ein verschlungener Rundgang auf mehreren Ebenen. Über Brücken und an Wasserfällen vorbei verläuft der Pfad im Zickzack-Kurs durch die Halle. Unterwegs trifft man nicht nur auf Pflanzen und Schnittblumen aller Art, sondern erfährt auch, warum Gärtner, "ein Beruf fürs Leben" ist und was man beim Anlegen eines Komposthaufens beachten sollte. Die schrägen Wände der Halle sind zum Teil mit Pflanzen dicht belegt, sodaß wenigstens hier ein Gefühl von Üppigkeit entsteht, das sich draußen auf dem Buga-Gelände nur selten einstellen will. Der spätere Betreiber will die Zahl der Pflanzen noch erhöhen und dazwischen einiges an multimedialer Interaktionstechnik installieren, abzüglich derer die kommende "Biosphäre" sich jedoch kaum von einem traditionellen Tropengewächshaus abheben dürfte. An den bei diesem Thema unvermeidlich auftauchenden Bildern filigraner Gewächshäuser des neunzehnten Jahrhunderts gemessen, ist die Halle von Barkow/Leibinger bei aller räumlicher Finesse ein grober Klotz. Aber da die Stadt Potsdam sich mit der Vorfinanzierung einer Event-Immobilie ohnehin auf unsicheres Terrain begeben hat, ließ der Etat nur eine einfache und robuste Konstruktionsweise zu. Zum militärisch-strengen Buga-Gelände paßt es und wenn der Pulverdampf der Bundesgartenschau verraucht sein wird, entscheidet wohl eher das Marketing des Betreibers über den Erfolg des Gebäude als seine architektonische Ausdruckskraft.

Oliver Elser

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